Personalpraxis...ein Fall aus dem HR-Leben.
Wenn Ratschläge gewünscht sind.
Lisa, Personalassistentin eines Basler Grosshandels, wird von einer Mitarbeiterin aufgesucht.
Die Mitarbeiterin hat verweinte Augen und drückt sich zaghaft aus:
“Darf ich 5 Minuten Ihrer Zeit beanspruchen?“
Lisa ist gerade genervt.
Der CFO hat ihr erneut den schwarzen Peter zugeschoben.
Aber die Mitarbeiter sind ihr wichtig und sie sagt besorgt - aber gestresst:
“Natürlich! Setzen Sie sich doch…ich habe knapp 10 Minuten Zeit.“
Die Mitarbeiterin berichtet ihr vom Vorgesetzten, der ihr immer und immer wieder die Schuld für Kundenreklamationen in die Schuhe schieben will.
Und sie fragt Lisa um ihre Meinung.
Lisa kennt nicht nur das Problem.
Sie hat es selbst.
Und sie findet für sich selbst keine Lösung.
Also fühlt sie sich gewappnet hier einen Ratschlag zu erteilen und das tut sie auch.
Schliesslich hat sie nur kurz Zeit.
Sie versucht den Hut der Beratungsperson zu tragen.
Dabei bemerkt sie, dass ihr die Neutralität nicht ganz gelingt.
Während des Gesprächs platzt der Verkaufsleiter ins Zimmer und verlangt nach einer Personalakte.
Lisa händigt die Personalakte aus und beendet gleichzeitig, stehend das Beratungsgespräch mit den Worten:
„Frau Müller. Das wird schon! Wir alle kennen das. Ich verspreche Ihnen, ich werde mal mit Ihrem Chef reden! Dabei klopft sie ihr vertraulich auf die Schulter und flüstert ihr zu: „Ich kann Sie nur zu gut verstehen. Ich erlebe so etwas Ähnliches…aber lassen wir das!“
Den letzten Satz hört der Verkaufsleiter nicht mehr.
Theorie:
Vertrauen ist die zentrale Voraussetzung damit ein HR-Beratungsgespräch mit Mitarbeitenden gelingt. Im vorliegenden Fall bringt die Mitarbeiterin die Mitarbeiterin bereits einen grossen Vertrauensvorschuss mit ins Gespräch. Eine ideale Voraussetzung.
Sie wird jedoch enttäuscht.
Das Thema Verschwiegenheit der HR-Fachperson ist fraglich. Sie thematisiert Wichtiges in Gegenwart eines anderen Vorgesetzten.
Auch das sorgsame Aufnehmen des Problems geschieht hier nicht. Zwischen Tür und Angel versucht Lisa den klassischen HR-Spagat hinzulegen.
Damit HR-Personen ein gutes Beratungsgespräch führen können, braucht es so viel mehr.
Z.B. die sachliche und emotionale Vorbereitung.
Im vorliegenden Fall hat das Beratungsgespräch bei Lisa eine Art „Betroffenheit“ ausgelöst.
Sie verliert innerhalb des Gesprächs den Kontakt zu ihren eigenen Regungen und Bedürfnissen, da sie den hohen Anspruch der Neutralität über alles setzt. Lisa gelingt es auch nicht die Balance zwischen Nähe und Distanz zu wahren.
Merke: Wenn eine HR-Person das Problem des Ratsuchenden bestens kennt und noch nicht gelöst hat, ist ein Beratungsgespräch tabu.
Das gleiche gilt, wenn Lisa sich so gar nicht vorstellen könnte, dass ein Mitarbeiter ein solches Problem mit einer Führungskraft hat.
Auch dann ist eine Beratung…eine HR-Beratung tabu.
Das mag jetzt hart klingen – ist aber für Lisas Arbeit hilfreich.
Lisa hat das artverwandte Problem mit dem CFO des Unternehmens. Hätte sie dieses Problem bereits gelöst, würde ihr das Gespräch besser gelingen.
Aber Achtung:
Sie muss sich gegenüber der Mitarbeiterin „lösungsabstinent“ zeigen.
Und diese bringen Mitarbeitende nicht weiter.
Die Lösungen von Lisa können so gar nicht zur Mitarbeiterin passen.
Ja - ich weiss nur zu gut.
Mitarbeiter wollen Lösungen auf dem Silbertablett serviert bekommen.
Aber nein: Lisa ist weder Mutter Theresa noch ein externer Coach. Sie ist Personalassistentin und erfüllt ihre Aufgaben dienstleistungsorientiert und sinnstiftend.
Und Lisa hat keine Ausbildung als Coach.
Sie war echt. Authentisch. Ein wenig zu fürsorglich und zu vertraulich.
Aber sie war echt.
Es gab keine Vorbelastung in der Beziehung zur Mitarbeiterin und es Lisa auch gelungen, eine akzeptierende Grundhaltung auszustrahlen.
Auch die Empathie gelang ihr gut.
Das dieses Gespräch zwischen Tür und Angel stattgefunden hat, war ungünstig. Lisa hätte einen Termin mit der Mitarbeiterin vereinbaren können und eine klare Zeitvorgabe, die mehr als 10 Minuten beinhaltet und damit eine grössere Wertschätzung ausdrückt.
Sie hätte sich darauf gut vorbereiten können. Eine Gesprächsstruktur zB wäre hilfreich.
Ein Gespräch, welches die wertschätzende, unterbrechungsfreie Zeit von Lisa fordert.
Dieses beginnt mit der Frage:
“Was ist genau Ihr Anliegen? Was können Sie tun? Was ist ihr erstes kleines Ziel?
Wie könnte eine Lösung genau aussehen?
Was können Sie dafür tun, damit diese Lösung passiert?
Was werden Sie konkret als erstes und als zweites tun? Bis wann?“
Und immer wieder kann Lisa das Gehörte zusammenfassen und jegliche persönliche Ratschläge oder gar Erfahrungen herunterschlucken/unterdrücken.
Lisa wird in Zukunft Gespräche reflektieren und überlegen:
„Was habe ich über mich selbst dabei gelernt? Welche Fragen haben die Mitarbeiterin weitergebracht? Was war eher hinderlich? Was braucht die Mitarbeiterin noch um ihre Massnahmen umzusetzen?
Lisa kennt übrigens ihre Grenzen sehr gut.
Bei seelischen Problemen hat sie eine Liste mit Empfehlungen von guten Ärzten oder Therapeuten.
Diese gibt sie immer ab. Eine Empfehlung. Kein Ratschlag.
Das was für Lisa passt passt vielleicht für Frau Meier so gar nicht.
Sie hilft Mitarbeitenden gerne bei der Suche nach einer externen Hilfe und unterstützt bei notwendigen sozialversicherungsrechtlichen oder gar administrativen Schritten.
Meine Abschlussfrage an Dich:
wie oft gelingt es Dir, den Hut der HR-Fachperson mit dem Hut der Beratungsperson zu tauschen?
Ich bin gespannt auf Deine Antwort. hier: Kontakt
HRM gut – Geschäft gut!
Halt Dich senkrecht, Diana
P.S. In meinem Selbstlernkurs „HR auf Augenhöhe“ erlernst Du Schritt die nötigen Grundlagen. Schau hier rein:
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Als HRM-Mentorin, Fachhochschuldozentin, HR-Kolumnistin, HR-Prüfungsexpertin, Buchautorin, HR-Podcasterin, Leiterin der HRM-Online-Akademie switzerland und Vortragsrednerin, gebe ich Dir mein Wissen und Erfahrungen in knackigem Tempo ab.
Die Positionierung von Personalverantwortliche (HR-Personen) ist mein Spezialgebiet.
Sie sind es, die die Arbeitswelt mitbewegen.
Immer noch liegt zu wenig Glitzer auf dem Boden der Arbeitswelt.
Ausserhalb dieses Blogs schreibe ich regelmässig für diverse Management-/Karriere-Magazine/Fachbücher/HRM-Podcast und leiste damit (m)einen dominosteinartigen Beitrag für eine bessere Arbeitswelt.
Mein Herz gehört dem Mittelstand (KMU).
Denn sie sind das Rückgrat unserer Arbeitswelt.
Dieses zu stärken und damit zu zeigen:
es geht viel leichter, souveräner, fairer und gelassener, wenn Personalarbeit auf Augenhöhe möglich ist, ist mein Anspruch.
HR mit Herz&Hirn.
Dafür steht der HR-Club
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Bleib' Dir immer treu und verändere Dich!
HeRzensgrüsse, Diana
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