Verbrechervisagen auf Lebenslauf

6. März 2019

Bewerbungsfotos und ihre Interpretationen.

In der Schweiz kann ein Bewerbungsfoto nur verlangt werden, wenn es aus arbeitsrechtlicher Sicht Sinn macht.

Z.B. wenn das Aussehen für die ausgeschriebene Stelle eine begründete Rolle spielt.

Nun fragt sich der Lesende resp. die Lesende:

Ja, bitte – wo spielt es denn eine begründete Rolle?

Meine Interpretation, denn dies ist im Gesetz nicht explizit zu finden.

Z.B.

  • bei der Empfangssekretärin/beim Empfangssekretär?
  • Bei einem Modell, männlich oder weiblich.?
  • Bei einer Verkäuferin für Schmuckwaren?
  • Bei der Hotelreceptionistin/Receptionist?

Soweit die nette Theorie!

loufre / Pixabay

Und nun zur erlebten Realität: Fotos werden zu 80 Prozent in Ausschreiben verlangt.

Entweder explizit oder implizit.

Fotos können alles sagen und rein gar nicht.

Wir wissen alle, wie fotogen so manche sind und wir wissen auch, welche grafischen Möglichkeiten ein guter Fotograf hat.

ivanovgood / Pixabay

 

Die Yellow-Press zeigt es uns Tag für Tag.

Als Personalerin weiss ich auch, wie Fotos beurteilt werden können.

Wie sie schnell in Schubladen gesteckt werden.

Wohlgemerkt:

eher von Vorgesetzten als von erfahrenen Personalern.

Es sind m.E. Anfänger im HR, die aufgrund eines Fotos jemand aus dem favorisierten A-Stapel in den B-Stapel oder gar C-Stapel legen.

Und in Branchen, in denen ein deutlicher Fachkräftemangel zu spüren ist, ist dieses Vorgehen fatal!!!

Ja, ich sage dies, weil es meine erlebte Realität ist.

Was wird alles interpretiert und damit beurteilt?

Die Art der Kleidung.

Hier lesen die erlauchten Hellseher der Personalauswahl, Lebensniveau und Kultur ab.

Aber auch die Lebenseinstellung wird hier festgemacht.

 

Ich schildere hier meine Erfahrungen im Austausch mit Vorgesetzten oder auch Teamkollegen:

Beispiel: Bewerberfoto zeigt eine sehr bunt gekleidete Person. Dann wurde sie z.B. mit folgender Bewertung besetzt: eine fröhliche, extrovertierte Person.

Ein Bewerbungsfoto mit einem Herrn, der eine sehr förmliche Kleidung trägt wurde als zielstrebiger, perfektionistische und konservative Bewerber interpretiert.

Frauen, die auf Fotos stark geschminkt sind und dazu viel Schmuck tragen, werden als selbstbewusst, modisch eingeschätzt. Und die krasseste Beurteilung einer weiblichen Vorgesetzen dazu war: „Die ist auf Männerfang. Das kann nicht gebrauchen!“

 

Pexels / Pixabay

Worauf achten CEOs?

Ich kann nur von den Geschäftsleitenden oder Verwaltungsräten/Stiftungsräten reden, mit denen ich eng zusammengearbeitet habe.

Sie schauen, ob die Krawatte ordentlich gebunden war oder nicht.

Anhand der Brillenform interpretierten sie eine moderne oder altmodische Mitarbeiterführung.

Selbst beim Haarschnitt konnten sie den Führungsstil ablesen.

Ein Spruch, der mir noch in Erinnerung ist:

„Ein zackiger Haarschnitt. Ich wette der führt sehr autoritär!“

Meine Erfahrung ist jedoch, die mit dem Foto gewonnen Eindrücke können tatsächlich stimmen oder so gar nicht.

 

blickpixel / Pixabay

Menschen sind grosse Überraschungspakete.

Wenn ich hier ein Tipp an Dich als Personaler als Personalerin weitergeben darf: Nimm‘ die Wertung des Vorgesetzten auf und hinterfrage sie diplomatisch. Manchmal hilft es auch zu sagen: „Vielleicht hast du Recht. Du hast ja ein gutes Bauchgefühl. Aber vielleicht sollten wir gerade deswegen diesen Kandidaten trotzdem einladen!“

Beispiel 1:

Vor vielen Jahren stellte ich einen Abteilungsleiter ein, der mit einem professionellen Foto punktete. Im Bewerbungsgespräch trat er in einem modernen und doch klassischen Anzug auf.

Alles war aufs Detail optisch abgestimmt. Schuhe, Krawatte, Haarschnitt.

Der damalige Geschäftsleiter war jemand der sehr viel Wert aufs Äussere legte und ich erlebte dies in der Endrunde als matchentscheidend.  Denn es gab einen anderen Bewerber, der mindestens die gleiche Fach- und Sozialkompetenz aufwies.

Der Beau wurde angestellt.

Er machte seine Sache sehr gut….eigenartig war jedoch die Wandlung…die äussere Wandlung. Nach der Probezeit lief er nur noch in Jeans und T-Shirt umher und trug sogar die berühmten Assiletten in seinem Einzelbüro. Wir waren einer dienstleistungsorientierten, beratenden Branche.

Schön, was dann passierte.

Der Geschäftsleiter beschwerte sich bei mir als Personaler und bat mich, dieser Führungskraft entsprechendes diplomatisch aber doch klar weiterzugeben.

Ich habe es abgelehnt und klar deklariert, dass dies seine Führungsarbeit ist.

Übrigens: der Kollege läuft heute noch so im Haus herum. Der CEO hatte bis heute keine Zeit für dieses unangenehme Gespräch.

 

 

geralt / Pixabay

Beispiel 2:

Ich bilde auch Lehrmeister aus.

Das sind die sogenannten Berufsbildnerkurse.

Hier erinnere mich an einen Malermeister, der erzählte, dass er nie Fotos verlangt hat.

Er stellte überzeugt nach Fachkompetenz ein.

Seine Mitarbeitende waren insbesondere bei Privatkunden eingesetzt.

Nachdem ein Mitarbeiter von 4 Privatkunden zurückgeschickt wurde, weil er so angsterregend aussah und dazu eine ungepflegte Erscheinung zeigte, ist er geläutert.

Ein Kunde sagte sogar: „Diese Verbrechervisage lasse ich nicht mehr in mein Haus! Entweder sie schicken mir jemand vertrauenswürdiges oder ich wechsele den Maler!“

Seitdem pocht er auf ein Foto in den Bewerbungsunterlagen. Verständliche Reaktion auf eine Erfahrung.

Welche Erlebnisse hast Du mit Fotos und mit der Realität?

Welches Bewerberfoto sendest Du mit?

Ich bin gespannt.

Herzliche Grüsse, Diana

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