Ein Gastartikel von Hanna Rau,
Von Brücken und Fallen..
Zu Beginn dieses Jahres sind in Deutschland einige arbeitsrechtliche Änderungen in Kraft getreten, die in Personalabteilungen heiß diskutiert werden. Die Änderung des Personenstandsregisters mit der Einführung des dritten Geschlechts wird auch jenseits Deutschlands (teils amüsiert) beobachtet. Mit der Einführung der Bezeichnung „m/w/d“ insbesondere in Stellenanzeigen, hielt sich der Aufwand allerdings bislang in Grenzen. Wer bislang nicht nach Geschlecht diskriminiert hat, wird das vermutlich auch zukünftig nicht tun.
Somit bleibt hier nur noch die Diskussion um die korrekte Anrede von Bewerbern oder Mitarbeitern des dritten Geschlechts. Die scheint doch lösbar.
Weniger beachtet, aber potentiell um einiges arbeitsintensiver, ist die Einführung der Brückenteilzeit.
Dazu natürlich das Vorhaben, Zeitverträge deutlich zu begrenzen.
Zu den juristischen Einzelheiten befragt bitte euren Arbeitsrechtler oder schaut euch die Links am Ende des Artikels an.
Dieser Artikel erhebt keinerlei Anspruch auf Vollständigkeit und ersetzt keine Rechtsberatung.
Bislang galt die Regelung, dass Mitarbeiter (jeden Geschlechts, ich bleibe um der besseren Lesbarkeit willen bei der männlichen Form) jederzeit ihre Arbeitszeit reduzieren konnten.
Diese Reduzierung ging aber nur in Einzelfällen (bei Tätigkeiten während der Elternzeit oder bei Arbeitszeitreduzierungen zu Pflegezwecken) mit einem Recht zur Befristung einher.
Wer aber für einen längeren Zeitraum oder aus anderen Gründen die Arbeitszeit reduzieren wollte oder musste, dem blieb nur die unbefristete Reduzierung mit allen bekannten Auswirkungen auf Einkommen und Rentenansprüche.
Ausgleich schaffen
Um hier einen Ausgleich zu schaffen, wurde die Brückenteilzeit eingeführt, kombiniert mit der Verbesserung der Chancen von Mitarbeitern, auch von unbefristeter Teilzeit wieder auf eine Vollzeitstelle zu wechseln.
Brückenteilzeit – was ist das und betrifft es mich?
Als Brückenteilzeit wird die befristete Reduzierung der Arbeitszeit für 1-5 Jahre bezeichnet. Es müssen keine Gründe für die Reduzierung angegeben werden und es gibt auch keine Mindest- oder Höchstreduzierung, die abgebildet werden muss.
Nach einer Brückenteilzeit muss der Mitarbeiter mindestens 1 Jahr wieder mit seinem dauerhaften Arbeitszeitanteil arbeiten, ehe er erneut befristet reduzieren kann. Die unbefristete Reduzierung ist weiterhin möglich.
Es gelten Ausnahmen von diesem Anspruch für KMU. Unternehmen mit maximal 45 Arbeitnehmern sind ausgenommen.
Die Zumutbarkeitsregelung
Für Unternehmen mit 46-200 Arbeitnehmern gilt eine Zumutbarkeitsregelung. Nur einem je 15 angefangener Mitarbeiter muss die Brückenteilzeit gewährt werden. Das klingt auf den ersten Blick realistisch, wirft jedoch weitergehende Fragen auf. Zum einen zählt hier nur die Brückenteilzeit, unbefristete Teilzeit oder aus anderen Gründen befristete Teilzeitarbeit, wird nicht betrachtet. Außerdem ist die Reihenfolge nicht geregelt, wenn mehr Anträge eingehen sollten und die „betrieblichen Gründe“, mit denen eine Ablehnung im Einzelfall möglich wären, sind wie immer nur schwammig definiert.
Die Betriebsgrösse machts
Wir können allerdings wohl davon ausgehen, dass die Anforderungen an eine solche Begründung mit der Betriebsgröße ansteigen. Außerdem neu ist das Recht des Mitarbeiters auf ein Erörterungsgespräch, in dem der Reduzierungswunsch mit dem Ziel einer Einigung vorab besprochen wird. Auf Wunsch wird ein Betriebsrat hinzugezogen.
Brückenteilzeit - Raus aus der Teilzeitfalle?
Bei Mitarbeitern mit unbefristeten Teilzeitverträgen, wurde darüber hinaus die Beweislast des Arbeitgebers erweitert.
Auch bisher mussten interne Bewerber einem gleich qualifizierten externen Bewerber für eine ausgeschriebene Stelle vorgezogen werden, es galt aber grundsätzlich: Anspruch auf Reduzierung ja, Anspruch auf Aufstockung: nein.
Bei einem geäußerten Aufstockungswunsch reichten entgegenstehende Arbeitszeitwünsche anderer Mitarbeiter oder dringende betriebliche Gründe für eine Ablehnung.
Dadurch saßen viele Mitarbeiter auf Teilzeitstellen fest, obwohl sie gern mehr arbeiten würden – Sie steckten in der Teilzeitfalle.
Keine freien Stellen vorhanden
Nun muss der Arbeitgeber darüber hinaus beweisen, dass keine freie Stelle vorhanden ist, bzw. die Qualifikation nicht passt.
Dies soll die Position der Teilzeitmitarbeiter stärken und eine Rückkehr zur Vollzeit erleichtern.
Nach anfänglicher Panik auf Arbeitgeberseite, wurde letztendlich doch noch klargestellt, dass keine ungeplanten Stellen geschaffen werden müssen. Diese Entscheidung verbleibt beim Arbeitgeber, es zählen lediglich tatsächlich freie oder geplante Stellen.
Brückenteilzeit - Was bedeutet das nun in der Praxis?
Die Personalplanung bleibt spannend, so viel steht fest. Wer bereits jetzt viele Eltern im Betrieb hat, wird dafür nur ein müdes Lächeln übrighaben.
Die Mittelfristplanung hat bereits mit den Änderungen zur Elternzeit in den letzten Jahren deutlich an Komplexität gewonnen. Dann kommen halt – böse ausgedrückt - noch ein paar Freizeitschiedsrichter dazu, die vergrößern das Chaos der Elternzeiten, Tätigkeit in der Elternzeit, übertragene Elternzeit mit erneuter Befristung von Teilzeit usw. nur unwesentlich.
Einzelfälle - mal wieder
In Einzelfällen kann es zu ungünstigen Konstellationen kommen, wenn grade in kleinen Einheiten viele Kollegen gleichzeitig Ansprüche anmelden. Das schafft allein das Phänomen der „ansteckenden Schwangerschaften“ (na, wer kennt es?) aber auch bisher schon.
Darüber hinaus lässt sich feststellen, Deutschland hat (mal wieder) das Bedürfnis verspürt, ordentliche Führung in Regeln zu giessen.
Ein Erörterungsgespräch im Vorfeld einer gewünschten Arbeitszeitreduzierung sollte Standard sein, zumindest aber nichts, was sich ein Mitarbeiter mittels Gesetzestext erstreiten muss.
Interessant werden zwei Aspekte
Die Verbesserung der Stellung von Teilzeitmitarbeitern bei der Wiederaufstockung bedeutet u.U. eine verstärkte Rekrutierung von Teilzeitstellen.
Bislang war es oftmals einfacher (wenn auch nicht auf Dauer zielführend), Teilzeitstellen als solche zu belassen und von extern in Vollzeit einzustellen.
Spannend in engen Bewerbermärkten
In engen Bewerbermärkten könnte das zukünftig spannend werden.
Außerdem plant die große Koalition eine Begrenzung der sachgrundlosen Befristungen auf 2,5% der Belegschaft. Zwar liefern Brückenteilzeiten wunderbare Sachgründe, werden jedoch Arbeitszeitanteile mehrerer Mitarbeiter in befristeter Teilzeit für einen realistischerweise besetzbaren Zeitvertrag zusammengezogen, wäre ein schlichter Jahresvertrag doch weit weniger fehleranfällig.
Die avisierte Begrenzung der sachgrundlos befristeten Verträge sorgt damit für eine vermeidbare Erhöhung der Komplexität beim kreativen Ausgleich mehrerer Reduzierungen.
Im ungünstigsten Fall reduzieren die Mitarbeiter zwar ihre Arbeitszeit, die Arbeit selbst muss aber dennoch vom gleichen Team erledigt werden, da eine Vertretungsbesetzung nicht möglich ist.
Schlimm?!?
Naturgemäß richtet sich unser Augenmerk bei Neuregelungen auf die Bedingungen und dann sind wir schnell tief in der Negativität.
Wann kann man ablehnen, was muss wirklich gewährt werden, welche betrieblichen Gründe greifen?
Parallel überlegen wir uns die tollsten Konzepte zu Arbeit 4.0, new work und was nicht alles – wenn wir in dieser Denkweise verharren, könnten wir uns all die schönen Folien auch gleich schenken.
Andersherum:
Ein Jahr weniger Arbeitszeit, weil das Kind Probleme in der Schule hat oder weil der Mitarbeiter sich einen Hund anschaffen will – ohne Diskussion.
Aufstockung?
Eine Aufstockung der Arbeitszeit nach 10 Jahren Teilzeit, weil die Kinder nun selbständiger sind – mit Wertschätzung.
Eine unbürokratische Veränderung der Elternzeitkonditionen, weil irgendeine Rahmenbedingung nicht so läuft wie geplant.
Klingt gut, oder?
Als sei der Mensch hinter der Planstelle wichtig und geschätzt.
Ich möchte behaupten, gute Arbeitgeber handeln ohnehin schon so.
Eine weitere Regelung, weitere Fristen, Formerfordernisse usw. lösen bei Arbeitgebern und ihren Personalabteilungen schnell den Abwehrreflex aus. Doch die Auswirkung auf die Mitarbeiterbindung ist enorm, positiv wie negativ.
Natürlich werden wir am Ende der Planungsvorbereitung vor der befristeten 28% Stelle sitzen, die in diesem Leben nicht besetzbar ist (es sei denn, es findet sich jemand, der vorübergehend aufstocken möchte).
Aber, wenn wir ganz ehrlich sind, tun wir das doch jetzt auch schon.
Wenn die Mutter (oder der Vater) entnervt kündigt, weil die Vollzeitstellen immer von extern besetzt werden, wird genauso eine Teilzeitstelle frei, die nachbesetzt werden muss.
Aber man hat den Mitarbeiter verloren und der erzählt das auch noch weiter.
Dann soll er doch lieber erzählen, wie kreativ sein Chef die Stellen umhergeschoben hat, um ihm wieder einen Vollzeitplatz zu schaffen.
Trost
Egal wie, für uns bleibt es spannend und als kleiner Trost vor der nächsten Planungsrunde:
Je unübersichtlicher die Regelungen, desto sicherer unser Job im HR 😉
https://www.haufe.de/personal/arbeitsrecht/gesetz-zur-befristeten-teilzeit_76_413146.html
https://www.bmas.de/DE/Schwerpunkte/Brueckenteilzeit/brueckenteilzeit.html
https://www.lto.de/recht/job-karriere/j/brueckenteilzeit-chancen-konflikte-antraege/
Zur Autorin dieses Gastartikels:
Hanna Rau ist 37 und leitet ein Team von HR Generalisten an verschiedenen Standorten in Deutschland.
Nach ihrem BWL Studium war sie erst als Spezialistin im Recruiting und später als HR Generalistin im Konzernumfeld tätig.
Sie lebt mit ihrer Familie in Hannover und ist in ihrer Freizeit oft bei ihrem Pferd zu finden.
Ein toller Artikel von einer HR-Fachperson, die in dieser HR-Fach-Gruppe auch direkt anzusprechen ist:
Fragen an die Autorin dieses Artikels können hier direkt beantwortet werden.
Ich bedanke mich ganz herzlich bei Hanna - hier zeigt sich:
HR ist mehr als eine blosse Dienstleistung. Eine persönliche Haltung.
In diesem Sinne,
herzliche Grüsse, Diana
P.S. Dieser Artikel wurde mit Überschriften SEO gemäss bearbeitet.