Konflikte lösen - aber wie?

19. September 2018

Christina Wenz Mediation (www.mediation-wenz.de) ruft zu einer interessanten Blogparade auf:

„Wie werde ich zum Konfliktmeister“.

 

 

Die Blogartikel auf ihrer Seite sind zu empfehlen und sehr, sehr lesenswert.

Das Thema hat mich sofort angesprungen, da es mich seit mehr als 20 Jahren beschäftigt. Die HR-Fachfrau (Berufsbezeichnung Schweiz)  lernt in ihrer Ausbildung so manches. Da ist die Personaladministration, -controlling, -marketing, -entwicklung, -Honorierung, -erhaltung, -Freisetzung und damit auch Arbeitspsychologie und Kommunikation.

Beide letzten Fächer unterrichte ich seit Jahren und ich liebe den Unterricht zu diesen Themen mit jeder Faser meines erwachsenenbildnerischen Herzens.

Nun ist es so, dass wir Dozenten die Studenten auf die eidgenössische Prüfung vorbereiten müssen und darunter ist auch das Thema „Konflikte.“ Je nach Schulbuch zwischen 20-30 Seiten plus Praxisaufgaben. Da wird Glasl und die Konfliktstufen eingetrimmt, das Thema Ziel-,  Beziehungs-, Verteilungskonflikt  etc. bis hin zum inneren Konflikt oberflächlich beleuchtet.

Der Drill gilt natürlich der mündlichen Prüfungssituation und ich weiss nicht, wie oft ich während des Unterrichts gefragt wurde:

 

ist das was Du gerade erzählt wirklich auch prüfungsrelevant?“[/vc_column_text][vc_column_text]Obwohl ich diese Frage gut verstehe  (der Kopf glüht und die Zeit rast. Die angehenden Personalfachleute büffeln neben ihren 42 Stunden in der Woche HR-Wissen, haben Lerngruppen, wiederholen Prüfungen etc.).

gebe ich hier unumwunden zu: die Frage nervt mich.

 

Ich hoffe meine Studenten verzeihen mir dies.

 

Gerade eine knappe Lehrbuchseite behandelt das wichtige Thema „Die Rolle des HR (hier: Personalabteilung)“  in der Konfliktarbeit.

Heute möchte ich jedoch genau zu diesem Punkt eine Herzensangelegenheit loswerden:

Und um es vorweg zu nehmen…JEIN…es ist vielleicht prüfungsrelevant…

 

Im Lehrbuch heisst es:“…die Frage muss sein, ob sich das HR so frei fühlt, dass es eine allparteiliche, vermittelnde Rolle einnehmen kann. Es darf keine gefühlsmässige Beteiligung vorliegen…und einen Satz später: “Für die Erarbeitung von Lösungen ist es wesentlich als unparteiischer, neutraler Moderator (Bezug auf Sache, Interesse, Beziehungen) wahrgenommen zu werden.“

 

Tatsächlich: Arbeitet eine Personalfachperson in einem grossen Unternehmen, ist dies wohl möglich.

[/vc_column_text][vc_single_image image="927" img_size="medium" alignment="center"][vc_column_text]2005 wurden  mindestens 80 Prozent aller Firmen in der Schweiz die Bezeichnung KMU (kleine und mittleren Unternehmen) zugeordnet  – ich gehe davon aus, dass es in Deutschland ähnlich ist.

D.h. die sehr operativ ausgelegte Tätigkeit der Personalfachpersonen in diesen KMUs muss ebenso die Kunst des neutralen, allparteilichen Vermittelns übernehmen und dann noch strukturiert, neutral, gefühlsunbeteiligt (tolles Wort).

Ich selbst habe nach meiner Personalfachausbildung mehrere andere Weiterbildungen (u.a. Konfliktcoaching) durchlaufen und  habe auch schon im Auftrag meines Arbeitgebers die Vermittlung zwischen zwei Streitparteien  übernommen.

 

Mein Fazit: never ever again.

Warum? Wie gelingt es der Personalerin allparteilich zu sein? Sie hat den klaren Auftrag eine win-win-Situation  hinzubekommen. Schafft sie es nicht, muss meistens einer von beiden „gehen“ oder wie es so schön heisst: „gegangen werden“. Schafft sie es nicht, dann kommt es garantiert beim nächsten Mitarbeitergespräch auf den Tisch.

 

Schafft sie es? Ist sie dann die Heldin des Tages, der Woche, des Monats – oder überhaupt?

Dies - davon abgesehen, dass die beiden Streithähne wirklich eine Lösung (ihre Verantwortung!) schaffen wollen und die Personalerin ja hier nur einen sauberen Konfliktprozess anbieten kann….

Willkommen in Realität. Über Konfliktcoaching redet man doch nicht offen in einer KMU. Das wird geregelt. Unauffällig und möglichst schnell. Nur nicht zu viel Wirbel machen…und die Produktivität der Beteiligten muss schnell wieder hergestellt werden.

Was für ein Druck wird da aufgebaut.

Und wie Du weisst,  ist jede KMU-Personalerin (wie jeder Vorgesetzte, wie jeder Geschäftsleiter etc.)  mit einem Image besetzt.  Die meisten Mitarbeitenden kennen sie und haben eine Meinung über sie.

Meinungen der Mitarbeitenden zu uns werden aufgrund von Erfahrungen oder Wahrnehmungen gemacht.  Und du weisst, steckt Frau erst Mal in einer Schublade…dann kommt sie so schnell nicht mehr da raus…

 

Wir sitzen in den Pausen mit der Marketingabteilung zusammen; wir schwitzen im Mittagssport mit der Abteilung Finanzen und stossen mit dem Hausmeister am Weihnachtsfest an und dann sollen wir tatsächlich diese Funktion allparteiisch, neutral und ohne Gefühle hinbekommen?

Ich sage nicht, dass es nicht geht. Ich sage nur, dass ich es nie hinbekommen habe.

 

Also, was ist meine Empfehlung an die HR-Studenten:

lernt die Eskalationsstufen, übt „aktives Zuhören“ ; Ich-Botschaften, lasst ausreden, unterlasst Drohungen und Konfrontationen, klärt Rollen etc. etc.

 

und

 

beauftragt einen externen Mediator oder Konfliktcoach und grenze Dich sauber ab. Auch durch ein klares NEIN erhältst Du Achtung und Respekt. Du weisst, was Du kannst und das machst Du. Du weisst aber auch, dass eine Konfliktlösung in professionelle Hände gehört.

 

Deine Rolle als Personalleiterin, deine Funktion als HR-Sachbearbeiterin erhält damit eine weitere – und meist nicht gewünschten negativen Touch.

Das fängt damit an, dass Mitarbeitende plötzlich in der Kaffeepause aufhören zu reden, nur weil Du reinkommst oder dass die Streithähne sich nach der Schlichtungsaktion um deine Parteilichkeit bemühen.

Und zum Schluss noch dies: beauftrage einen neutralen Mediator, der Dir aus Deinem HR-Netzwerk empfohlen wurde.

Der letzte Mediator, dem ich die Auflösung eines Konflikts in Auftrag geben durfte, war der Golf- und Busenfreund des damaligen Geschäftsleiters.

Jeder weitere Kommentar erübrigt sich wohl…

 

 

Ja –

HRM ist nicht nur eine Dienstleistung. HRM ist eine Kunst, auch NEIN zu sagen und Grenzen zu ziehen und zu seinen eigenen Fähigkeiten zu stehen.  

 

Cheerio, Diana

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