Der Chef als Coach - eine Farce?

30. Oktober 2016

Coaching durch Führungskräfte???

"Mitarbeitercoaching durch Führungskräfte" -  überall lese ich diese tollen Ausbildungsangebote.

Die Kursanbieter schreiben in der Kursbeschreibung, dass eine Führungskraft das sehr gut lernen und anwenden kann.

Wow wie anspruchsvoll..insbesondere, wenn ich da an die KMU-Führungskräfte der Praxis denken muss.

Denn der Chef muss hier zwei widersprüchliche Rollen auf die Reihe bekommen...

Der Coach ist eine neutrale Person, bewegt sich auf Augenhöhe und ist ein Sparringpartner, bei dem der Mitarbeiter seine Schwächen, seine Ängste zeigen darf, ohne Konsequenzen zu erwarten.

Die Hilfe zur Selbsthilfe wird hier angeregt...eine Lösung wird nicht vorgegeben...sie wird durch die richtigen Fragen beim Gegenüber rausgelockt. Im Coaching geht man davon aus, dass die Person die perfekte Lösung hat.

NEUTRALITÄT VOM CHEF

Der Chef? Wie kann ein Chef seinen Mitarbeitenden gegenüber neutral eingestellt sein?

Am Ende des Jahres kommt die Beurteilung - wenn möglich noch mit einer Lohnrelevanz...wie kann da der Mitarbeiter stolpern oder gar Schwächen offen zugeben?

Wenn er es schafft, trotzdem seine Ziele zu erreichen. Wunderbar!

Aber was wenn nicht???!

Dann agiert die Führungskraft als neutraler Motivator und arbeitet mit dem Mitarbeiter Lösungen aus, die zu ihm passen, damit er die Kurve bekommt?

Gegenüber von einem Coach kann ein Mitarbeiter  offen sein, er hat nichts zu verlieren - er muss nicht punkten - das Gespräch bleibt in den vier Wänden.

Die Lösung für den Kunden steht im Vordergrund. Der Coach hat kein Eigennutzen davon.

Wie ist das gegenüber dem eigenen Chef?

Das hierarchische Gefälle können alle Coachingkurse für Führungskräfte, die auf dem Markt sind, nicht wegdiskutieren.

Schon allein die Weisungsbefugnis steht im Widerspruch zur Freiwilligkeit einer guten Coachingbeziehung, die man sich ja im normalfall auch aussucht.

Der Vorschlag der Kursgebenden, dass man den Mitarbeitenden jeweils die Wahl gibt, ob sie nur zusammen zum Z'Nüni (Schweizerdeutsch für Kaffeepause am Morgen)  die Angelegenheit locker besprechen oder ein gezieltes Coachinggespräch führen, empfinde ich als ehrenhafte, nette Absicht - erlebe ich in der Praxis als fatal.

Denn die Führungskraft will, dass ihre Mitarbeitende funktionieren oder wie es schön im Verkauf heisst:"endlich abliefert!".

Ein unsichtbarer Druck, den der Mitarbeiter sehr wohl spürt. [ctt template="8" link="T66W6" via="yes" ]Verkauft bitte die Mitarbeiter nicht für DUMM. @dianarothcoach1[/ctt]

"Heute ist mein Chef mein Coach. Er versucht mich mit Fragen zu Lösungen zu bewegen, das hat keine Eile...ihm ist viel mehr der Prozess von mir in meiner Entwicklung wichtig".

Hast Du schon so einen Satz mal in Deiner Funktion als HR'lerin gehört?

Also ich hörte eher so Sätze wie:  "jetzt muss ich mal den Burschen in die richtige Richtung coachen!" - aber vielleicht lag es auch an den Branchen in denen ich tätig war.

Fachcoaching ist Vorgesetztensache und unterscheidet sich wesentlich vom Fall-/Persönlichen Coaching

Was ist da gemeint?

Jetzt erlaube ich auf das Fachbuch für Technische Kaufleute, welches auch für die Leadership-Ausbildung (Compendio/Migros Klubschule) als Lehrbuch genommen wird, zu zitieren.

Hier differenziert man zwischen einem sogenannten Fachcoaching (advising), dem Fallcoaching (consulting) und dem persönlichen Coaching (counseling).

Beim Fachcoaching steht die Sache im Vordergrund. Die Problemlösung steht im Vordergrund und der Führungskraft steht es zu, dass er Ratschläge und Vorgehensweisen einbringt.

Et voila....

die Rolle des Vorgesetzten als Ratgeber für Sachprobleme mit Ratschlägen und seinem Hintergrundwissen angesprochen. Und jetzt soll ein Vorgesetzter noch befähigt werden den Menschen in der Organisation, die Persönlichkeit mit Selbsteinsicht die Hilfe zur Selbsthilfe als Impulsgeber zu geben?

[ctt template="8" link="d6FZV" via="yes" ]Ein Chef muss besonders talentiert sein, wenn er den Rollenkonflikt der Doppelfunktion Coach/Chef aushält und mit Bravur meistert. @dianarothcoach1[/ctt]

Das Tagesgeschäft geht vor und die Zeit zum Führen ist gerade in KMUs gering resp. kaum berechnet.

Kursleitende empfehlen den Rollenwechsel mit sogenannten Ritualen anzuzeigen und bestenfalls noch die Rolle zum Schluss abzuschütteln.

Welch' ein hoher Anspruch! Hut ab vor jeder Führungskraft, die das hinbekommt.

Der Wechsel von Räumlichkeiten wird ebenfalls empfohlen....ja ...die Neutralität wird versucht mit der Lokalität zu unterstützen.

Weiter wird empfohlen die Anzugs- oder Kostümjacke abzulegen, damit der Mitarbeit weiss, dass er jetzt  - ohne Termin und ohne Druck - an seinem persönlichen Anliegen arbeiten kann...und das mit dem Chef.

 

schlaue ChefsWas wünsche ich mir?

Ich wünsche mir Chefs, die diese Doppelrolle hinbekommen.

Ich wünsche mir Chefs, die sich darin wohlfühlen.

Ich wünsche mir Chefs, die von Mitarbeiter als neutraler Coach angesehen werden.

Ich wünsche mir Chefs, die Zeit dafür finden.

Ich wünsche mir Vertrauen und Offenheit zwischen Chefs und Mitarbeiter in diesen sogenannten Coachinggesprächen und zwar nicht nur punktuell...sondern langfristig.

 

Ich wünsche mir reife Chefs, die sich selbst reflektieren, die ihre eigenen blinden Flecken reduzieren, die ihr Fremdbild kennen und bestenfalls die Balance zwischen Nähe und Distanz finden.

 

Hierbei lehne ich mich stark an den  Artikel (Ausgabe 219) in der Fachzeitung managerseminar zum Thema Mitarbeitercoaching an. Als Tipp für alle Interessierte. Hier wird auch ein guter Leitfaden dazu abgegeben.

 

Was habe ich in den letzten 20 Jahren in den verschiedenen KMU und NPO jedoch beobachtet? Ich beurteile noch bewerte - aber ich erlaube mir meine erlebten Erfahrungen niederzuschreiben.

Was melden mir seit über 15 Jahre die verschiedenen HR-Studenten aus dem tatsächlichen Alltagsleben zurück?

 

...es gelingt nicht...

Chefs versuchen gute Coachs (Hilfe zur Selbsthilfe/keine Beratung) zu sein.

Vielleicht empfanden sie sich selbst auch so...

aber fragt doch bitte auch die Mitarbeitenden

und zwar nicht vor einem lohnrelevanten Gespräch, sondern nach Wechsel der Führungskraft in eine andere Abteilung, Austritt aus der Firma. Ähnlich wie bei Austrittsgesprächen erfährt man dann wie es tatsächlich angekommen ist.

Ich kenne keinen einzigen Fall in dem es geklappt hat, obwohl die Absichten gut waren.

Nur weil ich keinen Fall  kenne, heisst es natürlich nicht, dass es das nicht gibt. Ich bezweifle jedoch, dass es vielen gelingt...ich denke es ist die grosse Ausnahme.

 

Auch in meinen verschiedenen Coachingausbildungen der letzten 10 Jahre waren immer wieder Führungskräfte als Teilnehmende dabei, die das Wissen in der Praxis umsetzen wollten.

Alle meldeten zurück: ich bekomme die Neutralität NICHT hin.

Sie setzen die verschiedenen Methoden ein und versuchten mit systemischen Fragen ihre Mitarbeitenden zu knacken - wurden aber im plötzlichen Rollenwechsel nicht ernst genommen.

Ich bilde seit Jahren Businesscoachs im Nachdiplomstudium aus...und alle Führungskräfte, die in den Kursen waren, meldeten zum Schluss: es geht nicht so, es geht vielleicht anders...vielleicht bin ich doch eher der Mentor, der Fachcoach, der Berater meiner Mitarbeiter...so werde ich auch angenommen.

Die Akzeptanz, dass da ein neutraler Sparringpartner sitzt, der im Beurteilungsgespräch völlig vergisst, wie schwach und fehlerhaft er war, dass hat mir noch niemand begeistert berichten können.

Kennst du die Kaffeepausensprüche der Mitarbeitenden?

Folgenden Spruch habe ich mal aufgefangen:" jetzt hat der Alte noch einen Coachingkurs besucht und wir müssen wieder als Versuchskaninchen herhalten".

Dies nachdem eine engagierte Führungskraft sein erlerntes Wissen aus dem Kurs "die Führungskraft als Coach" ausprobierte.

 

Sicht durch HR-Brille

Daher:

Chefs, die sich auf ihre Führungsrolle konzentrieren und prima wahrnehmen, sind mir lieber.

Chefs, die offen beraten (Fachcoaching) statt zu coachen und dazu offen stehen, sind mir lieber.

Und ein HURRA an alle, die die Ausnahme darstellen.

Ich ziehe meinen Hut und staune!

 

Beste Grüsse aus Bern, Diana

 

 

PS. Personaler in KMUs haben es hier ebenso schwer...das ist ein Thema welches ich in einem weiteren Blog behandeln werde.

 

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